Poesie, Fusselrollen und die große Liebe

Text: Jonathan Wuermeling

Bild: Carla Böhringer

Hi Ruben, was hat dich an “Hoffmanns Erzählungen” besonders fasziniert und dazu bewogen, dieses Stück zu inszenieren?

Das Stück ist anders als jede andere Oper. Sie wird nicht linear erzählt. Ähnlich, wie auch der Freischütz, arbeitet die Oper viel mit Phantasiewelten und lädt dazu ein, kreativ zu werden. Das fasziniert mich, weil es mich inspiriert. 

 

Hoffmanns Erzählungen spielt an unzähligen Schauplätzen und hat viele Zeitebenen. 

Wie setzt du das visuell um?

Es geht weniger um Zeitebenen, als um Poesie- oder Traum-, ja Wahnebenen. In diesem Stück verschwimmen Zeit und Ort. Sie verlieren an Relevanz für Hoffmann, der in seinem Delirium die Wahrheit sucht und nicht mehr zwischen Traum und Realität differenzieren kann. Diese Metaebenen setzen wir auch visuell in der Inszenierung um, erzählen viel mit dem Licht und nutzen die gesamte Tiefe des Saals. Eine besondere Rolle nimmt hier der Einsatz von Schwarzlicht ein. Aber zu viel will ich vorab noch nicht verraten.

 

Klingt nach einer eher aufwendigen Produktion...

Absolut. Die Inszenierung ist künstlerisch und vor allem aber auch bühnentechnisch sehr anspruchsvoll. Das konnten Emma Bröggelhoff, meine Regieassisentin, und ich nur durch die frühe Zusammenarbeit mit dem grandiosen Bühnenteam der Technik um Minne, Mathis und Jacob realisieren. Sie sind großartig! 

 

Worum geht es in dem Stück in deinen eigenen Worten?

Die Oper ist eine große Hommage an die Kunst und die Poesie.  Wir begleiten den 

Künstler Hoffmann auf seiner inneren Reise. Wir werden Zeuge davon, wie er das Konstrukt Liebe hinterfragt und komplett zerlegt. Er versucht herauszufinden, wie Liebe funktioniert, was sie bedeutet. Wir versuchen als Zu- schauende, einem Künstlerkopf zu folgen. Das ist keine leichte Aufgabe. Und an einigen Stellen wirft das Stück vielleicht auch eher Fragen auf, als Antworten zu liefern, aber ist das bei der großen Liebe nicht genau so?

 

Du führst nach dem Freischütz im Jahr 2023 bereits zum zweiten Mal Regie für die Oper am See.

Was macht die Arbeit am Boden-see für dich besonders?

Was mich hier immer berührt, ist die unglaub- liche Leidenschaft und die Liebenswürdigkeit, mit der das Team agiert.  Der Chor - das Herzstück der Oper am See - ist, obwohl es Hobbysänger*innen sind, sehr leistungsfähig und arbeitet, wie auch die Organisation und die Leitung, sehr professionell und verliert dabei nicht die Freude an manch wahnsinnigem Experiment. Das sind genau die Dinge, die ich an der freien Szene so schätze. 

 

Wie lief die Zusammenarbeit mit Vincent Andreas, dem musikalischen Leiter ab?

Anders als bei vielen anderen Produktionen, haben wir von vornherein eine gemeinsame Vision erarbeitet und uns abgestimmt. 

Wir haben dieses Stück zusammen erdacht und unser eigenes Konstrukt erschaffen können. So konnten wir den Grundstein für eine ganz besondere Interpretation legen. Jacques Offenbach hat Hoffmanns Erzählungen nie zu Ende schreiben können. Und obwohl die Oper als unvollendet gilt, haben wir gemein- sam eine Fassung geschaffen, die ihm würdig gewesen wäre. 

 

Zurück zum Schwarzlicht. 

Habt ihr genug Fusselrollen besorgt?

Ich hoffe es sehr.  Aber jetzt muss ich zurück 

in die Werkstatt.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Ruben!

Ich danke dir.